Die Behandlung der Farbkontraste ist Bestandteil der Farbenlehre und somit eines jeden Gestaltungsunterrichts. In der Schweiz wird nach wie vor die Farbenlehre des Schweizer Kunstpädagogen Johannes Itten (1888-1967) gelehrt, obwohl seine Theorie von manchen Kritikern oder Wissenschaftlern angefochten wird (z.B. von Harald Küppers, 1928*). Dieser Beitrag versucht die Kontraste grundlegend und unvoreingenommen aufzuzeigen. Dabei wird der Anspruch erhoben, „echte“ Farbkontraste von Kontrasteffekten zu unterscheiden. Zudem sollen die Farbkontraste, also der Unterschied zweier Farbwerte, als skalierbare Grösse verstanden werden, indem jeweils ein grosser und kleiner Kontrast aufgezeigt wird. Teils wird die Terminologie von Itten mit einfacheren Begriffen ersetzt. Ittens Begriffe und andere geläufige Begriffe werden, um den Zusammenhang aufzuzeigen, ebenfalls genannt.
Fünf Farbkontraste
Farbkontraste bezeichnen Unterschiede, die die Farbwerte zweier oder mehrerer Farbflächen einnehmen können. Unterschiede können überall dort auftreten, wo Eigenschaften der Farben feststellbar sind. Diese Unterschiede gestalten sich gross (stark), klein (schwach) oder gar nicht.
Farbton-Kontrast (Farbe-an-sich-Kontrast)
Als erster Farbkontrast soll hier der Farbton-Kontrast aufgezeigt werden. Liegen der Farbton zweier oder mehrerer Farbflächen im Farbkreis weit auseinander, spricht man von einem starken Kontrast. Bei einem schwachen Kontrast unterscheiden sich die Farbtöne wenig voneinander. Itten nennt diesen Kontrast Farbe-an-sich-Kontrast.
a) Starker Farbton-Kontrast |
b) Schwacher Farbton-Kontrast |
Helligkeits-Kontrast (Hell-Dunkel-Kontrast)
Der Helligkeits-Kontrast vergleicht die Hell-Dunkel-Werte der zueinander stehenden Farben. Achtung: Auch reine Farben (Sättigung = 100%) unterscheiden sich in der Helligkeit. Somit kann auch bei reinen Farben ein Helligkeits-Kontrast festgestellt werden. Der grösste Helligkeits-Kontrast bei reinen Farben besteht zwischen Gelb und Violettblau.
a) Starker Helligkeit-Kontrast | b) Schwacher Helligkeit-Kontrast |
Sättigungs-Kontrast (Qualität-Kontrast)
Steht eine bunte neben einer trüben Farbe spricht man von einem hohen Sättigungs-Kontrast. Bei einem schwachen Sättigungs-Kontrast unterscheidet sich die Sättigung, also die Leuchtkraft, kaum. Itten nennt diesen Kontrast Qualitäts-Kontrast.
a) Starker Sättigungs-Kontrast | b) Schwacher Sättigungs-Kontrast |
Temperatur-Kontrast (Kalt-Warm-Kontrast)
Die Farbwirkung kann mit einer Temperaturempfindung verglichen werden. So empfindet der Mensch in der Regel Cyanblau als kalte Farbe und Orangerot als warme Farbe. Im Farbkreis gliedern sich die Farbtemperaturen systematisch. Je näher die Farbe am Kältepool (Cyanblau) ist, desto kälter wird diese Empfunden und umgekehrt mit dem Wärmepool (Orangerot). Zudem kann eine Farbe in der Regel mit Weiss abgekühlt und mit Schwarz aufgewärmt werden. Der Temperatur-Kontrast bezeichnet somit das Verhältnis der Farbtemperatur.
a) Starker Temperatur-Kontrast | b) Schwacher Temperatur-Kontrast |
Mengen-Kontrast (Quantität-Kontrast)
Der Mengen-Kontrast zählt konsequenterweise nicht zu den Farb- aber zu den Formkontrasten, da jedoch die Farbwertigkeit auf diesen Kontrast Einfluss nimmt, wird er hier dennoch kurz erwähnt.
Beim Mengen-Kontrast geht man davon aus, dass Farbwerte wegen ihrer Leuchtkraft nicht die gleiche Aufmerksamkeit bzw. den gleichen Raum in Anspruch nehmen. Um ein ausgewogenes Verhältnis von Farbwerten zu erhalten, müssen die Farbflächen unterschiedlich gross gestaltet werden. Ohne Farbstandards bzw. Color-Management ist eine mathematische Aufschlüsslung zwar kaum sinnvoll, jedoch für das Verständnis des Prinzips interessant. Aus Goethes Farbenlehre lässt sich zur gleichwertigen Erscheinung folgendes Verhältnis beschrieben:
Gelb | : | Orange | : | Rot | : | Grün | : | Blau | : | Violett |
3 | : | 4 | : | 6 | : | 6 | : | 8 | : | 9 |
So muss für ein ausgeglichenes Verhältnis, also für einen schwachen Kontrast z.B. eine violette Fläche drei Mal grösser gestaltet werden als eine gelbe Fläche. Umgekehrt wirkt das Verhältnis unausgeglichen und kann als starker Kontrast beschrieben werden.
a) Starker Mengen-Kontrast | b) Schwacher Mengen-Kontrast |
Drei Farbkontrasteffekte
Kontrasteffekte sind physiologisch bedingte Phänomene, die bei speziellen Farbkontrasten durch den Korrekturvorgang der menschlichen Wahrnehmung entstehen und spezielle Effekte hervorrufen. Die Rezeptoren auf der Netzhaut des menschlichen Auges versuchen bei einer starken Aktivierung abwesende Farben zu kompensieren, wodurch andere Farbwerte empfunden werden, als es ein physikalisches Messgerät messen würde. Die Kontrasteffekte sind wie die Farbkontraste als Gestaltungsmittel nutzbar, müssen aber durch deren spezielle Wirkung besonders berücksichtigt werden.
Simultan-Kontrast
Bei der gleichzeitigen Betrachtung (simultan) zweier nebeneinander liegenden Farben nimmt jede Farbe etwas von der Komplementärfarbe der anderen Farbe an. So wirkt ein von Violettblau eingeschlossenes Grau heller als wenn es von Gelb eingeschlossen ist, was als optisches Überfluten bezeichnet wird. Abgesehen davon wirkt hier nun das Rechteck links grösser als das rechts.
a) Simultankontrast mit Violettblau | b) Simultankontrast mit Gelb |
Komplementär-Kontrast
Nebeneinanderliegende Komplementärfarben gelten als spezieller Simultan-Kontrast. In diesem Fall wird eine Farbe vom eigenen Farbwert überflutet. Die Farben steigern sich also gegenseitig: Ein Gelb wirkt „gelber“ als ein reines Gelb und ein Violettblau „blauer“ als ein reines Violettblau, was die Wahrnehmung irritiert, die Aufmerksamkeit steigert und deshalb z.B. gerne in der Werbung benutzt wird. Manche verstehen auch Schwarz in Kombination mit Weiss als Komplementär-Kontrast, da es denselben Effekt hervorruft.
a) Komplementärkontrast mit Violettblau und Gelb | b) Komplementärkontrast mit Grün und Magentarot | c) Komplementärkontrast mit Schwarz und Weiss |
Sukzessiv-Kontrast
Das menschliche Auge ist träge. Wenn nun die wahrgenommene Farbe schlagartig wechselt (oder die Blickrichtung geändert wird), sehen wir für einige Sekunden die Gegenfarbe. Als wohl bekanntestes Beispiel gilt der Blick in die Sonne, die für kurze Zeit einen bleibenden Eindruck mit der Gegenfarbe hinterlässt, was als auch als Nacheffekt oder Nachbild bezeichnet wird.
- Link zu einem Beispiel
Ein etwas gestraffter Beitrag für den Kunst- und Gestaltungsunterricht ist auf dem Schweizer Onlinelehrmittel Kunstunterricht.ch zugänglich.
Wenn sich schon alles um Farben dreht, meine Frage: Ein Atom ist Farblos. Wie kommt es, dass Moleküle und daher Stoffe plötzlich eine Farbeigenschaft besitzen? Wie entstehen diese Farben?
Farbe ist als physikalisch-physiologisch-psychischer Prozess zu verstehen. Licht, also elektromagnetischen Wellen, treffen duch die Linse und den Glaskörper (eine gelartige Masse) auf die Netzhaut und können dort je nach Intensivität und Wellenlänge Stäbchen (Helldunkel) und Zapfen (RGB) erregen. Diesen Reiz interpretieren wir danach mit dem zentralen Nervensystem als Farbe. Farbe ist also nicht in der physikalischen Welt sondern in unserem „Kopf“ zu „situieren“ – eigentlich vergleichbar mit einem Schmerz, wenn auch meist schöner in der Empfindung;-)
Wenn nun weisses Licht (volles Spektrum z.B. von der Sonne), das hier als Energie zu verstehen ist, auf einen Körper (Molekül oder Atom, um deiner Frage nachzukommen) trifft, absorbieren die Elektronen einen Teil des Spektrums und wandel dies (meist) in thermische Energie um. Der Körper erwärmt sich und der Rest des Spektrums wird reflektiert. Ein Atom, das das gesamte (sichtbare) Spektrum absorbiert reflektiert nichts. Wir empfinden dies als Schwarz. Wird alles reflektiert, empfinden wir dies als Weiss. Wird nur ein Teil des Spektrums absorbiert, z.B. das „blaue Spektrum“ (ca. 480-420nm), wird das „rote“ und „grüne“ Spektrum reflektiert und somit die rot- und grünempfindlichen Zapfen unserer Netzhaut aktiviert. Dies interpretieren wir dann als Gelb wahr (vgl. additive Farbmischung).
Bei der Besprechung der Farbe und Farbkontraste kann man eigentlich bis zu einem gewissen Punkt schon mit Wellenlängen rechnen. Für eine präzisere Annäherung reicht die Physik aber nicht aus. Vielmehr muss der Mensch mit seinen heterogenen Abweichungen – wie individuelle Netzhautabdrücke, Erfahrung, Situation – miteinbezogen werden, was sich zunächst als Widerspruch anhört. Da aber Farbe erst durch die Physiologie (aber auch Psychologie) des Menschen „erzeugt“ wird und auch viele Effekte mitwirken (Simultan-, Sukzessivkontrast), ist die Determinante Mensch nicht wegzudenken.